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Das vom Österreichischen Weinbauverband initiierte Gütesiegel „Nachhaltig Austria“ gibt Traubenproduzent*innen und Weinbaubetrieben die Möglichkeit, die Nachhaltigkeit ihrer Wirtschaftsweise beurteilen und zertifizieren zu lassen.

Die Zertifizierung „Nachhaltig Austria“ nimmt seit ihrer Implementierung im Frühjahr 2015 eine internationale Vorreiterrolle ein. Der „Europäische Green Deal“ mit den Zielen 2030 und 2050 bildet einen zentralen Bestandteil der „Nachhaltig Austria“ Zertifizierung. Dabei stehen Reduktion von Treibhausgasen, Ressourcenschonung, umweltschonende phytomedizinische Maßnahmen und Nährstoffversorgung der Rebe sowie soziale und ökonomische Maßnahmen im Mittelpunkt.

In einem mehrjährigen Projekt bewerteten Wissenschaftler*innen alle Produktionsmaßnahmen in einem Weinjahr nach ihrer ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit. Auf Basis dessen wurde ein Online-Tool geschaffen, in dem österreichische Winzer*innen die Nachhaltigkeit ihrer Arbeitsweise von der Weingartenneuanlage über die Traubenproduktion bis zur Weinerzeugung und -vermarktung beurteilen können. Was das Gütesiegel „Nachhaltig Austria“ einzigartig macht, ist die Berücksichtigung der komplexen Wechselwirkungen der definierten Maßnahmen untereinander. Jede Maßnahme wird hinsichtlich der Auswirkung auf alle anderen Maßnahmen bewertet.

In Summe handelt es sich hierbei um über 380 Maßnahmen, die eingegeben und beurteilt werden. Bis auf Glyphosat (verboten seit 2018) sind grundsätzlich alle gesetzlich erlaubten Maßnahmen, Pflanzenschutz- und Betriebsmittel zulässig und werden im Gesamtbild in neun Nachhaltigkeitsbereichen bewertet: Qualität, Soziales, Ökonomie, Klima, Material, Energie, Boden, Biodiversität und Wasser.

Verbreitung

© ÖWM / WSNA

Verbreitung

  • Die „Nachhaltig Austria“-zertifizierte Fläche liegt bei 11.112 ha und beläuft sich somit auf 25 % der Weinbaufläche in Österreich.
  • 509 Betriebe sind „Nachhaltig Austria“-zertifiziert. Darin sind 3 Genossenschaften enthalten, die als Einzelbetriebe gezählt werden und insgesamt 2053 ha bewirtschaften. Ein mittlerer “Nachhaltig Austria”-zertifizierter Betrieb bewirtschaftet 12 ha (Medianwert).
  • 113 der 509 „Nachhaltig Austria“-zertifizierten Betriebe (22 %) sind zusätzlich Bio-zertifiziert.
  • In den letzten fünf Jahren hat sich die „Nachhaltig Austria“-zertifizierte Fläche mehr als verdreifacht.

Zertifizierung und Kontrolle


Zertifizierung und Kontrolle

Nach vollständiger Dateneingabe im Online-Tool und Erfüllung der definierten Anforderungen kann sich ein Betrieb zur Zertifizierung durch unabhängige, externe Kontrollfirmen (LACON oder AgroVet) anmelden. Diese findet bei einem Audit vor Ort am Betrieb statt. Zertifizierte Betriebe dürfen für das kontrollierte Jahr das Gütesiegel „Nachhaltig Austria“ als privatrechtliche Wort-Bild-Marke verwenden.

Die externen Kontrollfirmen, welche auch die Zertifizierung vornehmen, überprüfen alljährlich die Eingaben im Online-Tool aller zertifizierten Betriebe. Weinhandels- und Genossenschaftsbetriebe werden zudem jedes Jahr vor Ort kontrolliert, klein- und mittelgroße Weinbaubetriebe müssen sich einmal in drei Jahren vor Ort auditieren lassen oder werden zwischendurch bei zufälligen Stichproben unangemeldet kontrolliert.

Grundsätze und Prinzipien für „Nachhaltig Austria“-Zertifizierte Betriebe

Die „Nachhaltig Austria“ Zertifizierung sieht keine konkreten Verbots- oder Gebotslisten vor, sondern Zielvorgaben und als positiv und negativ eingestufte Maßnahmen je Nachhaltigkeitsbereich. Es ist nicht notwendig, dass ein Betrieb jede der über 380 Maßnahmen positiv absolviert, jedoch darf keine der Nachhaltigkeitskategorien in der Gesamtbewertung im Ampelsystem rot eingestuft sein. Maximal zwei Gelbbereiche sind derzeit (noch) zulässig und mindestens sieben Grünbereiche notwendig, um sich für eine Zertifizierung zu qualifizieren. Die Mindestziele, die man für eine positive Bewertung erfüllen muss, werden jedes Jahr angepasst, sodass die Bewertung insgesamt verschärft und die Anforderungen erhöht werden. Somit wird die Hürde für eine „Nachhaltig Austria“ Zertifizierung jedes Jahr ein wenig höher und auch bereits zertifizierte Betriebe werden angehalten, sich stetig zu verbessern.

Generell dürfen alle gesetzlich erlaubten Maßnahmen und Betriebsmittel im Weingarten und Keller angewendet werden. Als einzige Ausnahme ist der Einsatz des Herbizids Glyphosat seit 2018 verboten und wird durch Probenentnahmen streng kontrolliert. Besonders umweltfreundliche Maßnahmen werden besonders positiv bewertet, sodass Betriebe motiviert werden ihre Arbeitsweise entsprechend anzupassen.

Good to know


Good to know

Bereits auf 82 % der Fläche der „Nachhaltig Austria“-zertifizierten Weinbaubetriebe wird auf den Einsatz von Herbizid verzichtet, zusätzlich zum generellen Glyphosatverbot. Gleichermaßen setzen mehr als zwei Drittel der zertifizierten Betriebe kein Insektizid ein.

Details zum Online-Tool zur Nachhaltigkeits-Selbstbestimmung

Alle Produktionsmaßnahmen in einem Weinjahr – von der Weingartenneuanlage über die Traubenproduktion bis zur Weinerzeugung und -vermarktung in der Flasche – sind durch rund 380 Aktivitäten in einem Online-Tool abgebildet. Wissenschaftler*innen bewerteten alle Maßnahmen in neun Nachhaltigkeitskategorien (Klima, Boden, Wasser, Energie, Biodiversität, Material, Qualität, Soziales und Ökonomie) zwischen +10 bis -10. Jede Dateneingabe im Tool zeigt dem Betrieb, welche Auswirkungen seine Maßnahme in den jeweiligen Nachhaltigkeitskategorien hat. Zusätzlich wird im Tool angezeigt, wie nachhaltig jede Maßnahme im Vergleich zu alternativen Aktivitäten ist. Dadurch erhalten Betriebe konkrete Empfehlungen, wie die Bewertung der jeweiligen Maßnahme verbessert werden kann.

Nach vollständiger Dateneingabe zeigt ein Spinnendiagramm nach dem Ampelsystem den Nachhaltigkeitsstatus des Betriebs insgesamt.


Der Punkt je Achse im Diagramm markiert den aktuellen Wert des Betriebs in der jeweiligen Nachhaltigkeitskategorie. Je weiter außen der Punkt liegt, desto nachhaltiger wird in Bezug auf diesen Aspekt gewirtschaftet. Werte im roten Bereich schließen eine Zertifizierung aus und zeigen deutliches Verbesserungspotenzial an. Ein Wert im grünen Bereich bescheinigt eine überdurchschnittliche Nachhaltigkeit. Das System wirft somit keine konkreten Zahlen aus, sondern einen Relativbezug. Unabhängig davon, ob der Betrieb eine Zertifizierung anstrebt oder nicht, erkennt er auf diese Weise Steigerungsmöglichkeiten und kann regelmäßig seine Fortschritte auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise verfolgen.

Seit 2022 wird außerdem eine Treibhausgasbilanzierung automatisiert errechnet und im Nachhaltigkeitsbericht jedes Betriebs ausgewiesen.

 

Details zur Bewertung der Nachhaltigkeitsparameter

Welche der über 380 Maßnahmen besonders positiv bzw. negativ in den einzelnen Nachhaltigkeitskategorien bewertet sind, ist im „Transparenzpapier“ im Detail aufgelistet. Im Folgenden wird hier eine Auswahl an positiven Maßnahmen in den einzelnen Kategorien sowie einige Beispiele von Maßnahmen mit negativer Bewertung angeführt:

Positive Bewertung

Biodiversität (Auszug)

  • Anlage und Erhaltung von Biodiversitäts-Vorrangflächen
  • >500 m² Trockensteinmauer pro ha Weingarten
  • PIWI-Sorten

Boden (Auszug)

  • Errichtung von Steinmauern und Böschungen in Steillagen 
  • Zweijährige und mehrjährige Begrünung (Dauerbegrünung) 
  • Kompost über 4.000 kg Trockenmasse pro ha und Stallmist über 10.000 kg pro ha

Energie (Auszug)

  • Energieautarkie gegeben
  • Einsatz von Steuerungen zur Energieoptimierung
  • Gebäude mit der Energieklasse A, A+, A++ und Erdkeller

Klima (Auszug)

  • Fernwärme mit regenerativen Energiequellen und Biomasse
  • Einsatz von Biodiesel
  • Anteil von Leichtglas in Prozent zur gesamten Neuglasmenge

Material (Auszug)

  • Recyclingtechnik: Tunnel-, Kollektor- oder Reflektorverfahren
  • Boden(pflanzen)analysen lt. ÖNORM 
  • Ökostrom

Ökonomie (Auszug)

  • Durchführung einer Unternehmensanalyse
  • Förderung der Regionalität
  • Angebot des regelmäßigen Ab-Hof-Verkaufes

Qualität (Auszug)

  • Einsatz von biotechnischen Maßnahmen (Verwirrungstechnik, …) 
  • Düngung laut Richtlinien für die sachgerechte Düngung im Weinbau
  • keine Anreicherung

Soziales (Auszug)

  • Überzahlung des kollektivvertraglichen Mindestlohnes
  • Förderung der beruflichen Fortbildung der leitenden Dienstnehmer
  • Einkauf von „sauberen“ Dienstleistungen durch ebenfalls fair und nachhaltig arbeitende Dritte

Wasser (Auszug)

  • Zweijährige und mehrjährige Begrünung (Dauerbegrünung) 
  • Sachgemäße Erosionsmaßnahmen bei Steillagen und Terrassenbau mit Böschungen bei Hangneigung 
  • Vollständige Abwasseraufbereitung
  • Errichtung eines speziellen Waschplatzes für Pflanzenschutzmittelgeräte

negative Bewertung (Auszug)

  • Neuglasverwendung mit hohem Glasgewicht
  • Herbizideinsatz
  • Großraumsprayer, Helikopter und Drohnen für Pflanzenschutz
  • Düngung ohne Bodenuntersuchung bzw. Überdüngung
  • konventioneller Pflanzenschutz gegen tierische Schaderreger
  • Keine Begrünung
  • Hohe Anzahl an Durchfahrten
  • Kartonagen mit weniger als 50% Recyclinganteil

Zusätzlich zu den Erläuterungen im Transparenzpapier besteht für alle Interessierten die Möglichkeit, sich anonym durch das Online-Tool unter https://tool.nachhaltigaustria.at/ zu klicken.

Good to know


Good to know

Durch die detaillierte, digitale Erfassung von über 380 Maßnahmen je Betrieb erlaubt das Online-Zertifizierungs-Tool Auswertungen zum Status quo aller Maßnahmen und auch zur Entwicklung der Nachhaltigkeits-Leistungen der teilnehmenden Betriebe. Es lässt sich also jederzeit quantifizierbar feststellen, wie viele Betriebe beispielsweise konkrete Aktivitäten zur Förderung der Biodiversität, Einsparung von Strom, Wasser oder CO2 oder zum Arbeitnehmer*innenschutz tätigen.

Bisherige messbare Effekte

Einige Beispiele für bisherige Effekte und Ergebnisse der Zertifizierung auf Basis der Daten aus dem Online-Tool (Stand: August 2023):

  • Auf 82 % der Fläche der zertifizierten Weinbaubetriebe wird auf den Einsatz von Herbizid verzichtet, zusätzlich zum generellen Glyphosatverbot (vgl. 2019: 70 % der Fläche).
  • 14 Betriebe energieautark
  • 76 % Anteil an regenerativer Energie (Photovoltaik, Biomasse, Ökostrom) am Gesamtenergieverbrauch in der Weinbereitung. (vgl. 2019: 56 %)
  • 24 % aller Betriebe führen über 10 % ihrer Fläche als Biodiversitätsflächen, 19 % aller Betriebe weisen einen Biodiversitätsflächenanteil zwischen 5 und 10 % auf
  • 2/3 der Betriebe mit Gebäuden der Energieklasse A, A+ und A++ bzw. Erdkeller
  • 43 % Leichtflaschen (Anteil von Leichtglas in Prozent zur gesamten Neuglasmenge ); Derzeit wird an einer Konzeption für die Wiederbefüllung von Glasflaschen gearbeitet, die den CO2-Ausstoß wesentlich verringern würde.
  • Ca. 50 % der Betriebe verwenden besonders sparsame und effiziente Methoden zur Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln: 27 % Recyclingtechnik und 21 % verlustarme Sprühtechnik. Dies kann zu einer Einsparung von rund 40% der Pflanzenschutzmittelmenge verhelfen.
  • bei 52 % der weinproduzierenden Betriebe zwei- und mehrjährige Begrünung
  • PIWI-Varianten machen mittlerweile 7 % der NHA-Fläche aus (vgl. 2019: 0,7 %)

Die Teilnahme an der Zertifizierung wird regional unterschiedlich angenommen. In den Weinbaugebieten Kamptal, Kremstal, Neusiedlersee, Rosalia, Südsteiermark, Wachau und Wien werden bereits 30% oder mehr der Weinbaufläche von „Nachhaltig Austria“-zertifizierten Betrieben bewirtschaftet. In den anderen Weinbaugebieten liegt der Flächenanteil bei über 10%.

Weitere Produktionsweisen

Verwirrte Insekten, PIWIs und leichte Flaschen:

© ÖWM / www.pov.at

Verwirrte Insekten, PIWIs und leichte Flaschen:

Österreichs Winzer*innen zeigen mit welchen ​Maßnahmen sie den Fokus auf die ​Umwelt legen.

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Umweltbewusstsein

© ÖWM / Blickwerk Fotografie

Umweltbewusstsein

Umweltschutz und eine sorgsame Handhabung der natürlichen Ressourcen haben hierzulande einen hohen Stellenwert. Deshalb ist es auch wenig überraschend, dass Österreich beim Thema umweltbewusster Weinbau global gesehen an der Spitze liegt.

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