PIWI-Rebsorten sind eines der großen Gegenwartsthemen im österreichischen Weinbau. Sie fördern die Nachhaltigkeit und erwecken Neugierde. Sorten wie Muscaris und Blütenmuskateller sind bereits in fast aller Munde, weitere Neuzüchtungen scharren in den Startlöchern.
Definition und Wortherkunft
„Nomen est omen“
Die Abkürzung „PIWI“ steht für „pilzwiderstandsfähige Rebsorten“. PIWIs sind teilresistente Rebsorten, die aus systematischen Kreuzungen und Züchtungsverfahren hervorgehen. PIWI-Reben weisen eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber mindestens einer Pilzkrankheit, wie etwa Botrytis oder dem falschen und echten Mehltau, auf.
Die deutschsprachige Abkürzung der beschreibenden Formulierung „pilzwiderstandsfähige Rebsorten“ ist auch außerhalb des deutschen Sprachraums eine anerkannte Bezeichnung. Diese wurde ursprünglich von dem 1988 gegründeten Verein PIWI International kreiert und hat sich auf Grund der günstigen Phonetik mittlerweile weltweit etabliert.
Geschichte
Aus der Not eine Tugend gemacht
Schon lange bevor es den Begriff PIWI gab, spielte das Thema der Pilzwiderstandsfähigkeit im Weinbau eine Rolle. Mitte des 19. Jahrhunderts, ausgelöst durch die Reblausplage, begann man in Europa, mit damals als „hybrid“ bezeichneten Rebsorten zu experimentieren. Man kreuzte amerikanische mit europäischen Sorten, um in erster Linie Reblausresistenzen und in weiterer Folge auch Pilzresistenzen einzukreuzen. Diese frühen Kreuzungen besaßen Eigenschaften von Mutter und Vater und wiesen daher auch die – in Europa wenig beliebte – Foxton-Aromatik auf. Foxton bezeichnet den Geruch von Fuchs- oder Katzenurin oder auch von nassem Fell, der typisch für bestimmte amerikanische Rebsorten ist. Erst in den 1970er-Jahren gelang es, durch Züchtungsinitiativen diese Eigenschaften auszukreuzen. Die dabei entstandenen Sorten hatten europäischen Charakter und leiteten die Zeit der „modernen“ PIWI-Kreuzungen ein.
Vorteile im Weinbau
Weniger ist mehr
- Entscheidender Vorteil: deutliche Reduktion in der Ausbringung von Pflanzenschutzmittel im Weingarten
In Österreichs PIWI-Weingärten können die Spritzdurchgänge um zwei Drittel reduziert werden.* Das fördert einerseits den ökologisch-nachhaltigen Umgang mit der Natur und bedingt andererseits ökonomische Einsparungen hinsichtlich der Maschinen- und Personalkosten. Mensch und Traktor müssen seltener durch die Weingärten fahren und schonen so sich selbst und die Böden im Weingarten. - Geringere Kosten für Pflanzenschutz
- Reduktion von Zeit- und Arbeitsaufwand
- Weniger CO2-Ausstoß durch weniger Traktorfahrten
- Geringere Bodenbelastung durch weniger Traktorfahrten
* PIWI Rebsortenanbau in Österreich, Wolfgang Renner, in: Obstbau und Weinbau 09/2022, S.30
PIWI-Sorten (pilzwiderstandsfähige Rebsorten) sind Neuzüchtungen mit einer Teilresistenz gegen eine oder mehrere Pilzkrankheiten. Der Weinhof Kobatl im Vulkanland Steiermark setzt auf einen Anbau von PIWI-Sorten auf 100 % seiner Rebfläche und muss dadurch nicht nur weniger Pflanzenschutzmittel ausbringen, sondern trägt auch durch weniger Traktorfahren zur Bodengesundheit bei.
Verbreitung
PIWI-Qualitätswein- & Rebsortenwein-Sorten
Sorte | Fläche Österreich ha | Fläche Österreich % |
---|---|---|
Roesler | 283,78 | 0,64 % |
Blütenmuskateller | 123,72 | 0,28 % |
Muscaris | 96,88 | 0,22 % |
Donauriesling | 80,80 | 0,18 % |
Souvignier Gris | 75,62 | 0,17 % |
Donauveltliner | 62,35 | 0,14 % |
Rathay | 54,57 | 0,12 % |
Cabernet Blanc | 24,33 | 0,06 % |
Cabernet Jura | 17,84 | 0,04 % |
Pinot Nova | 17,60 | 0,04 % |
Bronner | 16,75 | 0,04 % |
Solaris | 11,53 | 0,03 % |
Johanniter | 9,35 | 0,02 % |
Regent | 7,92 | 0,02 % |
Summe | 883,03 | 2,00 % |
Quelle: Berechnung ÖWM nach BML/INVEKOS (Stichtag 03. Juli 2024). Rollierendes Berechnungsjahr von Juli 2023 bis Juli 2024.
In allen weinbautreibenden Bundesländern Österreichs wurzeln PIWI-Rebstöcke. Die Anbaufläche beträgt 883 ha und nimmt daher einen Anteil von 2,0 % an der Gesamtfläche ein. 1,6 % (414 ha) der niederösterreichischen Weingärten sind mit PIWI-Reben bepflanzt. Im Burgenland sind es 2,1 % (243 ha). Die Steiermark füllt bereits 3,3 % (170 ha) der Weingärten mit PIWI-Sorten. Die übrigen 56 ha verteilen sich auf die anderen Bundesländer.
Es lässt sich jedenfalls ein Trend beobachten: Je kürzer das jeweilige Bundesland Weinbau treibt, umso stärker werden von Weingütern PIWI-Sorten nachgefragt. In traditionellen Weinbaugebieten, deren Geschichte oft Jahrhunderte zurückreicht, werden bestehende Rebsorten erhalten. Schließlich werden Weingärten für Jahrzehnte angelegt. In Gebieten, deren Flächen neu bestellt werden, ist der Spielraum dementsprechend größer. Gepaart mit der Neugierde der Weingüter scheint das Experiment PIWI-Anbau leichter zu fallen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Tirol österreichweit den höchsten PIWI-Anteil (54 %) hat, gefolgt von Oberösterreich (25 %).
Der österreichische Weinbau unterteilt sich klimatisch in einen ariden (trockenen) Norden und einen humiden (feuchten) Süden. In den ariden Gebieten Niederösterreich, Wien, Nord- und Mittelburgenland beträgt der Jahresniederschlag 300–700 mm. Das Südburgenland und die Steiermark müssen hingegen jährlich mit einer fast doppelt so hohen Niederschlagsmenge von 800–1.200 mm rechnen. Mehr Feuchtigkeit bedeutet ein höheres Risiko für Pilzkrankheiten. In der Steiermark wird diese Herausforderung noch durch eine weitere ergänzt. Die für die Gegend typischen Steillagen erschweren das Ausbringen von Pflanzenschutz und erhöhen das Unfallrisiko und die Sturzgefahr bei der Arbeit im Weingarten. Vor diesem Hintergrund lässt sich die stärkere Verbreitung von PIWI-Sorten, die weniger Spritzdurchgänge verlangen, speziell in der Steiermark erklären.
PIWI-Qualitätsweine in Österreich
und ihr Aromenprofil
Folgende PIWI-Rebsorten sind in Österreich zur Herstellung von Qualitätswein zugelassen:
Blütenmuskateller
124 ha
erinnert an Muskateller
Zwei Drittel des Blütenmuskatellers werden in Niederösterreich angebaut. Die Aromasorte hat – wie der Name verrät – eine Ähnlichkeit mit der bekannten Muskatsorte Gelber Muskateller. Im Geschmack ist die PIWI-Sorte jedoch deutlich dominanter und fülliger. Günstig für die Produktion von Süßwein ist, dass diese Sorte eine hohe Zuckergradation erreicht. Im Menü eignet sich der Blütenmuskateller besonders für davor als Aperitif und für danach als Süßwein zum Käse.
Muscaris
97 ha
erinnert an Muskateller
Mehr als die Hälfte der Anbaufläche befindet sich in den humiden Weinbaugebieten der Steiermark. Aromatisch erinnert der Muscaris, ähnlich wie Blütenmuskateller, an Muskatsorten. Er besticht allerdings vor allem durch seine knackige Zitrussäure und eignet sich daher besonders zur Versektung.
Souvignier Gris
76 ha
erinnert an Grauburgunder
Rund 60 % der Souvignier-Gris-Rebstöcke stehen in der Steiermark. Der aromatisch an Burgundersorten erinnernde Weißwein ähnelt dem steirischen Ruländer oder Grauburgunder. Er eignet sich aufgrund seines kräftigen Körpers gut als Speisebegleiter zu Wildgerichten und würzigem Ofengemüse.
Donauriesling
81 ha
erinnert an Rheinriesling
Diese PIWI-Rebsorte wird überwiegend in Niederösterreich angebaut und ähnelt im Geschmack dem klassischen Rheinriesling. Der Donauriesling überzeugt durch seine frische, elegante Säure und feinen Zitrusnoten, die von einer subtilen Mineralik begleitet werden. Aufgrund seines lebendigen, aromatischen Profils eignet er sich besonders als Speisenbegleiter zu Fischgerichten und leichten Vorspeisen, kann aber auch gut für sich stehen. In warmen Jahrgängen zeigt er zusätzlich eine tiefgründige Reife mit leicht exotischen Noten, die sein Profil abrunden.
Donauveltliner
62 ha
erinnert an Grünen Veltliner
Als PIWI-Alternative zum Grünen Veltliner zeigt der Donauveltliner die charakteristische Würzigkeit und Pfeffrigkeit, die diese Sorte so beliebt macht. Im Vergleich zum Grünen Veltliner ist er kräftiger im Körper, bringt aber ähnliche Aromen von grünem Apfel und weißem Pfeffer mit sich. Donauveltliner wird hauptsächlich in Niederösterreich kultiviert und ist ein idealer Begleiter zu traditionellen österreichischen Gerichten wie Wiener Schnitzel oder deftigen Eintöpfen. Seine Struktur und Langlebigkeit ermöglichen es der Gastronomie und Liebhaber:innen gereifter Weine, auch mit Donauveltliner Jahrgangstiefen aufzubauen.
Roesler
284 ha
erinnert an Blaufränkisch
Die meistangebaute PIWI-Rotweinsorte Österreichs wurde in Klosterneuburg gezüchtet und ist seit dem Jahr 2000 als Qualitätsrebsorte zugelassen. Burgenland und Niederösterreich weisen die größte Roesler-Anbaufläche auf. Auf Grund seiner tiefdunklen Färbung und der kräftigen Wald- und Brombeeraromen wird der Roesler gerne als Verschnittpartner herangezogen, macht aber im Holzfass ausgebaut und gereift auch solo eine gute Figur. Als Speisenbegleiter eignet sich ein voluminöser Roesler, vergleichbar mit gereiftem Blaufränkisch, zu üppigen Gerichten.
Ráthay
55 ha
erinnert an Blaufränkisch
Ebenso wie der Roesler wurde auch der Ráthay in der Weinbauschule Klosterneuburg gezüchtet. Der farbkräftige, vollmundige und gerbstoffreiche Rotwein wird häufig als Verschnittpartner verwendet.
PIWI-Rebsortenweine in Österreich
In Österreich sind sieben PIWI-Sorten als Rebsortenwein (Wein ohne geschützte Ursprungsbezeichnung oder geografische Angabe mit Rebsorten- oder Jahrgangsbezeichnung) anerkannt.
Cabernet Blanc
24 ha
erinnert an Sauvignon Blanc
Bronner
17 ha
erinnert an Weißburgunder
Johanniter
9 ha
erinnert an Riesling
Solaris*
12 ha
erinnert an Muskat
* nur im Bergland (Oberösterreich, Salzburg, Kärnten, Tirol, Vorarlberg) als Rebsortenwein zugelassen
Cabernet Jura
18 ha
erinnert an Cabernet Sauvignon
Pinot Nova
18 ha
erinnert an St. Laurent
Regent
8 ha
erinnert an Cabernet Sauvignon
Prognosen
Wie sieht die Zukunft für PIWI in Österreich aus?
Als Teil des Europäischen Green Deals gilt die „Farm to Fork“-Strategie. Eines ihrer Ziele ist es, auf vielen Ebenen das Landwirtschafts- und Lebensmittelsystem nachhaltiger zu gestalten. Unter anderem soll die Anwendung chemischer Spritzmittel in der Landwirtschaft reduziert werden. Der PIWI-Weinbau kann dazu für Österreich einen Beitrag leisten.
Neben den vielen Vorteilen, die PIWI-Sorten aufgrund ihrer teilresistenten Merkmale in den Weingarten mitbringen, besteht auch die Gefahr, dass Resistenzen umgangen werden. Ein Pilz, der nicht konsequent bekämpft wird, verändert nämlich ständig seine Strategie. Aus diesem Grund kommt der PIWI-Weinbau noch nicht ohne Pflanzenschutz aus. Verheißungsvoll ist, dass mit jeder neuen PIWI-Züchtung, die auf den Markt kommt, die Resistenzen stärker werden. Frühere PIWI-Sorten waren monoresistent und daher gegen eine Art von Pilz gewappnet. Neue PIWIs sind oft schon mit zwei Mechanismen ausgestattet, um sich gegen unterschiedlichen Pilzbefall zu wehren.
Das Interesse seitens der Produzent*innen an PIWI-Sorten nimmt stetig zu. 2023/24 stehen auf 2,0 % (883 Hektar) der österreichischen Rebfläche PIWIs. 2021 waren es noch 1,5 %. Expert*innen rechnen mit einem langsamen, aber kontinuierlichen Wachstum der Verbreitung von PIWI-Rebsorten in Österreich und schätzen, dass 2032 etwa 5 % der Gesamtfläche damit bepflanzt sein werden. Es ist damit zu rechnen, dass die Sorten am Markt langsam an Bekanntheit gewinnen und in friedlicher Koexistent neben bestehenden, autochthonen und traditionellen Rebsorten gehandelt werden.
Anhang
Gesetzliche Bestimmungen
Die Rebsorten-Zulassung und daher auch die Zulassung von PIWI-Sorten wird in Österreich in zwei Instanzen gesetzlich geregelt. Einerseits den Anbau betreffend und andererseits bezüglich der Inverkehrbringung.
Der Anbau von PIWI-Sorten wird föderalistisch festgelegt. Welche Sorten in den sechs weinbautreibenden Bundesländern (Niederösterreich, Burgenland, Steiermark, Wien, Kärnten und Oberösterreich) angepflanzt werden dürfen, wird durch die jeweiligen Länder-Weinbaugesetzte geregelt. Das unabhängige Agieren der Bundesländer bedingt die Unterschiede in der Herangehensweise an die Zulassung und die daraus resultierende Varietät an ausgepflanzten PIWI-Sorten.
Die Inverkehrbringung wird bestimmt durch das österreichische Weingesetz. Dieses bundesländerübergreifende Gesetz regelt, mit welcher Bezeichnung PIWI-Weine in den Verkauf gebracht werden dürfen. Die oberste Kategorie bezeichnet die Weine als „Qualitätswein“ und umfasst in Österreich sieben PIWI-Rebsorten. Diese dürfen mit Sorten-, Jahrgangs- und Herkunftsbezeichnung (z. B. „Steiermark“) in Verkehr gebracht werden. Mit „Rebsortenwein“ werden in der zweiten Kategorie sieben PIWI-Rebsorten bezeichnet. Auch sie dürfen mit Sorten- und Jahrgangsbezeichnung versehen werden. Als Herkunftsbezeichnung sind „Österreich“ oder „EU“ zulässig. Die dritte und unterste Kategorie bezeichnet etwa 50 verschiedene PIWI-Sorten als „Wein“, die ohne Sorten-, Jahrgangs- und Herkunftsbezeichnung auf den Markt gebracht werden können.