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Der österreichische Weinjahrgang 2007 - kapriziöse Witterung, niveauvolle Weine

Nach den ersten Verkostungen der Jungweine lässt sich quer durch die österreichische Weinbaugebiete an den erfreuten Mienen der Winzer und Fachverkoster eine tiefe Zufriedenheit über das erreichte, hohe Niveau ablesen; diese Mienen haben sich gegenüber der Zeit der Haupternte noch insofern erhellt, als derart gute bis ausgezeichnete Ergebnisse nach den schwierigen Witterungsverhältnissen im Sommer und Herbst nicht unbedingt zu erhoffen waren. Überhaupt spiegeln sich die Kapriolen des zum Teil extremen Wetters eigentlich nicht in den zumeist sehr ausgewogenen Weinen wider, die Extreme in jede Richtung vermeiden. Ein weiterer großer Pluspunkt: nach drei quantitativ unterdurchschnittlichen Weinjahren konnte endlich wieder eine „Normalernte“ eingebracht werden.

Dieses Bild zeigt einen Weingarten im Weinviertel

Die Kapriolen der Witterung …

© ÖWM / Anna Stöcher

Die Kapriolen der Witterung …

… sind wohl nicht nur genauen Beobachtern der Natur noch in bester Erinnerung. Nach einem Winter, der seinen Namen gar nicht verdient hat, trieben die Reben schon frühzeitig aus, und der anhaltend schöne Frühling mit einer günstigen Abfolge von Sonnentagen und zeitgerechten Niederschlägen führte sogar – ex aequo mit 2003 - zur frühesten Blüte “aller Zeiten“. Getrübt wurde die Vorfreude über den optimalen Vegetationsbeginn durch Spätfröste, die rund um den ersten Mai einigen Schaden anrichteten, sowie gegen Sommerbeginn durch punktuell auftretende Hagelgewitter - stellvertretend seien hier nur das Hochplateau nördlich von Krems und die Thermenregion erwähnt -, die regional ebenfalls für Ernteeinbußen sorgten.

Der brennend heiße Juli, der die Pflege der Weingärten zur Qual werden ließ, wird wohl jedem noch im Gedächtnis sein. Dennoch waren auch zur Zeit der Hitzewelle mit Bedacht gewählte Weingartenarbeiten essentiell, vor allem, um den gefürchteten Sonnenbrand zu vermeiden, der in den fertigen Weinen unangenehm bittere, gerbstoffige Töne hervorruft. Pünktlich zum ersten August drehte sich das Wetter und brachte reichliche Niederschläge und  kühlere Nachttemperaturen mit sich. Trotzdem erwartete die Winzerschaft verständlicherweise bis Ende August eine extrem frühe Lese à la 2003 sowie entsprechend „hitzige“ Weintypen.

Doch auch diesmal kam alles ganz anders: Wolkenbruch-artige Regenfälle zum Schulbeginn in Ostösterreich sorgten für große Bedenken puncto Standfestigkeit der Weinbeeren und Fäulnisgefahr. Keine Sorgenfalten hatten jene nordburgenländischen Winzer, die so gut wie alle Weißweine, teilweise auch Pinot Noir und St. Laurent, zu diesem Zeitpunkt bereits im Keller hatten, aber auch die steirischen und südburgenländischen Winzer, deren Weinberge weit weniger Regenfälle zu erleiden hatten, konnten gelassen bleiben.

Ein grundsätzlich wechselhafter Herbst, der vor allem in der ersten Oktoberhälfte auch einige Sonnentage aufwies, ließ eine sorgfältige Wahl des Erntezeitpunktes zur Grundvoraussetzung werden. Schließlich zog sich die Lese in den Gebieten nördlich der Donau über einen sehr langen Zeitraum hin, der beispielsweise in der Wachau bis Mitte November reichte. Dies brachte auch das Erfordernis mehrerer Lesevorgänge mit sich, um möglichst gesundes Traubengut zu selektionieren.

Kalt und warm oder die große Harmonie

Beginnen wir mit den trockenen Weißweinen als wichtigstem Erwerbszweig der heimischen Weinwirtschaft, die auch naturgemäß zum gegenwärtigen Zeitpunkt am einfachsten zu beurteilen sind. Generell beeindruckend ist die frühe Harmonie, also eine frappierende Ausgeglichenheit der wichtigsten Inhaltsstoffe, wie Alkohol, zuckerfreiem Extrakt und Säure. Diese rührt daher, dass Rekord-verdächtige Alkoholwerte ausblieben und der für die innere Dichte verantwortliche Extraktgehalt 2006 nur geringfügig nachstand. Die Säure bewegt sich in jenem idealen Rahmen, der den Weißweinen genau die richtige rassige Struktur verleiht, ohne je aggressiv zu wirken. Auffallend ist, dass die sensorisch gefühlte Säure nahezu immer höher eingestuft wird, als sie analytisch tatsächlich ist.

Das wahre Jahrgangsphänomen, das wohl entscheidend zur frühen Balance beiträgt, besteht aber darin, dass bei den wirklich gelungenen Weißweinen die kühle herbstliche Periode, die sich in filigranen Fruchtnuancen, feingliedriger Textur und nerviger Säure äußern kann, gleichsam mit demselben Schluck wahrgenommen wird wie die hohe Reife, die Frühjahr und Juli sowie lange Vegetationsdauer in Form von ausgereiften Fruchtaromen, großzügigem Körperbau und zuweilen entsprechendem Alkohol vermittelt haben – die Symbiose von kalt und warm ist somit die positive Überraschung schlechthin!

Erfreuliche Sommerweine, überragende Veltliner

Im Unterschied zum Vorjahr kommen diesmal auch die von der längeren Reifedauer profitierenden leichteren Geschöpfe zu ihrem Recht und zeigen sich so präsent und charmant wie schon lange nicht. Zu hervorragendem Niveau in allen Ausbaustufen laufen die Grünen Veltliner auf: von Weinviertel DAC und Steinfeder bis zu den spät gelesenen Premium-Lagenweinen und Eisweinen wird für jeden Gusto etwas ganz Gutes dabei sein. Ebenfalls sehr gut reüssiert haben die Weißburgunder und die steirischen Morillons, die man selten so seidig elegant und dezent gerundet verkostet hat.

Etwas früh kommt hingegen eine endgültige Betrachtung der Rieslinge, die sich relativ langsam entwickeln und ihre Steinobstnote erst schüchtern freigeben. Hier könnten diesmal die klassischen Herkünfte mit ihren so genannten Urgesteinsverwitterungsböden die Nase vorne haben und mit fein ziseliertem Fruchtspiel und mineralisch anmutender Definition brillieren, sofern allzu deutliche Botrytiseinflüsse vermieden wurden.

Bei den g´schmackigen Rebsorten ist der Sauvignon Blanc vor allem in der Steiermark blendend gelungen, wobei grasig-brennesselige Töne auch für die leichteren, im Stahltank ausgebauten Weine passé sind. Vielfach dominieren ausgereifte Aromen, etwas diffuse, weniger sortentypische Exemplare sind mitunter außerhalb Steiermark anzutreffen. Ein wahrer Glücksgriff war der Jahrgang offensichtlich für die Gelben Muskateller,  die sich selten traubig und knusprig präsentieren, während die mächtigen Traminer aufgrund ihrer niedrigen Säure ein wenig träge erscheinen und noch etwas Reife benötigen. Ob sie allerdings die überragenden 2006er erreichen werden, ist fraglich.

Fruchtbetonte Rotweine österreichischer Prägung

Die in den burgenländischen  Rotweinhochburgen und niederösterreichischen Rotweininseln verkosteten Jungweine zeigten sich in charmanter Frühform, wobei die intensiven Fruchtaromen eher dem hellen, rotbeerigem Spektrum zuzurechnen sind als dem dunkelbeerigen, südlich-feurigem, wie wir es aus dem Vorjahr kennen. Jene Gebiete, die vor dem großen Regen noch nicht geerntet hatten, also die allermeisten, taten gut daran, den Lesezeitpunkt sehr sorgfältig zu wählen, wobei allzu langes Zuwarten zum Beispiel rund um  den Neusiedlersee nicht möglich war.

Im Ergebnis stellen sich daher Rotweine mittlerer bis gute Dichte mit angenehm weichem Tanninfonds und unaufdringlicher Säure vor, die hinsichtlich ihrer Struktur über 2005 liegen, aber vermutlich 2002 nicht ganz erreichen werden. Prinzipiell dürfte die wechselhafte Witterung einzelne Rebsorten nicht entscheidend bevorzugt oder benachteiligt haben, denn sowohl die österreichischen Paraderotweinsorten Blaufränkisch und Zweigelt als auch die frühreifenden Burgunder und spätreifenden Cabernets scheinen recht gut reüssiert zu haben; wenn es einen Favoriten gibt, so sind es die ungemein fruchtsüßen Merlots. Auch die Schilcher werden den Freunden dieser weststeirischen Spezialität aufgrund ihrer ausgereiften Art und Dichte und des diesmal wieder pointierteren Säurespiels sicher munden.

Süße Essenzen ante portas

Da die Botrytis 2007 in den dafür prädestinierten Weingärten schlagartig und nahezu flächendeckend einsetzte und deshalb im Gegensatz zu den ebenfalls prächtigen Süßweinjahren 2005 und 2006 auch beachtliche Mengen gelesen werden konnten, sollten auch die Liebhaber dieser süßen Leckereien auf ihre Rechnung kommen. Die ersten Fassproben zeigten grundsolide, fruchtige Prädikatsweine von glasklarem Sortencharakter und geschmacklich relativ wenig ausgeprägter Edelfäule bei ausreichendem, aber nicht hohem Säuregehalt, die den 2006ern offenbar stärker ähneln als den 2005ern. Diese frühen Mutmaßungen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass 2007 erfreulicherweise auch ein Jahrgang war, der die Kelterung Essenz-artiger Konzentrate aus höchsten Mostgewichten ermöglichte, die erst gemächlich im Gebinde gären und ein jahrzehntelanges Leben vor sich haben sollten. Ein spannender Dreikampf mit den beiden Vorgängerjahren, aber auch der Vergleich mit so legendären Süßwein-Jahrgängen wie 1995 und 1981 steht damit bevor.