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Weinlese 2006 – Ein großer Jahrgang kündigt sich an

Große Zufriedenheit bis hin zu Anzeichen einer gewissen Euphorie quer durch alle österreichischen Weinbaugebiete - so sieht die Zwischenbilanz Ende Oktober aus, nachdem ein Gutteil der Weinlese 2006 eingebracht wurde. Die letzten Chargen, in vielen Fällen die obersten Qualitätskategorien, werden demnächst in die Keller geholt. In allen Weinregionen Österreichs verweist man auf hohe Zuckergradationen, die aber - im Gegensatz zu Jahrgängen wie 2000 oder 2003 - durch ebenso hohe Säurewerte ausbalanciert sind. Daraus darf man wieder auf Langlebigkeit und Entwicklungspotenzial der Weine schließen. Die Erntemenge von 2,2 bis 2,3 Mio. hl liegt etwas unter dem Durchschnitt, bei Grünem Veltliner deutlich niedriger.

Weingarten im Herbst, Copyright ÖWM

Wetterverlauf

Weingarten im Herbst, © ÖWM

Wetterverlauf

2006 war ein „verrücktes Jahr“, wie es in allen Weinbaugebieten heißt, geprägt durch einen äußerst wechselhaften Witterungsverlauf, der egal in welche Richtung immer extrem war. Auf einen extra langen Winter mit viel Schnee (und somit hoher Feuchtigkeit) folgte ein ebenso feuchtes und nicht allzu warmes Frühjahr. Ab etwa Mitte Juni, genau während der Zeit der Blüte, die leicht verzögert einsetzte, wurde es rasch wärmer und mündete in einer Hitzeperiode mit Rekordtemperaturen bis Ende Juli. Der August war wieder äußerst kühl und regnerisch mit deutlich weniger Sonne. Vor allem im Norden des Landes gab es mehr Niederschläge als im langjährigen Schnitt wie den Statistiken der Zentralanstalt für Meteorologie zu entnehmen ist. Zur Weinlese hin brachten September und Oktober prächtigstes Herbstwetter mit viel Sonne, Wärme und trocknenden Böden. Die für die Aromabildung wichtigen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht traten in manchen Gegenden früher anderswo später auf. Dadurch wurde die Ernte aromatischer Trauben mit hoher Reife sichergestellt.

Vegetation, Reife und Ernteverlauf

Größere Probleme wie Trockenstress gab es im Großen und Ganzen nicht, da das Wetter im jeweils genau richtigen Moment umschlug: „Niederschläge als Wunschkonzert“, wie es aus dem Burgenland verlautete. Böden wie zum Beispiel Löss wirkten im Juli durch ihre hohe Wasserhaltekapazität ausgleichend zur Trockenheit. Wasserdurchlässige Böden waren im August begünstigt, dazu kam, dass der Regen noch auf halbreife, harte Beeren traf. Der Aufwand bei Begrünungsmanagement und Laubarbeit war für die heimischen Winzer jedenfalls enorm, um die Laubwände durchlässig und locker zu halten, wodurch sie auch in Regenperioden weniger anfällig für Pilzbefall waren.

Durch den warmen September stiegen die Zuckergradationen sehr rasch, was im Schnitt  alkoholkräftigere Weine als beispielsweise 2005 bedeutet. Der Vergleich mit 2003 oder 2000 wurde oft gezogen. Worauf aber Winzer aller Gebiete geradezu euphorisch hinwiesen, waren die natürlich hohen Säurewerte, welche die Weine balancieren und sie auch langlebig werden lassen.

In der Steiermark war der August nicht ganz so feucht und kühl wie in den nördlicheren Weinbaugebieten. Dafür brachte ein Adriatief um den 18. September große Wassermengen in wenigen Tagen, was den Fäulnisdruck stark erhöhte. Jene Winzer, die Nerven bewahrten, das Auftrocknen abwarteten und die Fäulnisherde durch „Vorlesen“ entfernten, konnten jedoch vom prächtigen Herbstwetter profitieren.

Auch der Ernte-Ablauf war „ver-rückt“. Wie  heutzutage üblich wurde in allen Gebieten in mehreren Durchgängen gelesen, etwa zu den „normalen“ Zeitpunkten (also nicht Wochen früher oder später) mit Ausnahme von Donauland und Carnuntum, wo man etwas früher dran war. Die Weinlese folgte aber nicht immer in der üblichen Reihenfolge nach Sorten mit frühem, mittlerem oder spätem Lesezeitpunkt. Im Zeitfenster rückten sie viel näher zusammen – Ausnahme z.B. Riesling der Top-Qualität in der Wachau, deren Ernte sich nach Einschätzung einiger Winzer bis in den November hineinziehen könnte. In einigen Regionen verlief die Ernte sehr rasch, um Überreife, alkoholischer Opulenz oder Botrytis zu entgehen.

Für biologisch arbeitende Weingüter egal welcher Philosophie und welcher Region bedeutete der Witterungsverlauf einen stark erhöhten Aufwand bei der Arbeit im Weingarten. Mit den Ergebnissen sind viele der Weingüter, die Umstellungsbetriebe sind und heuer erstmals nach diesen Grundsätzen gearbeitet haben, generell zufrieden. Die Arbeitsweise machte sich auch in einem schwierigen Jahr bezahlt, das für viele auch das erste war, so der Grundtenor.

Guter Jahrgang – schlechter Jahrgang?

Weinjahre in „gut“ und „schlecht“ zu unterteilen, trifft die Sache wohl nicht mehr ganz. In manchen Jahren besteht viel Handlungsbedarf, in anderen muss aufgrund eines annähernd idealen, weil kontinuierlichen Vegetationsverlauf nicht ganz so oft reagiert werden. Flexibilität im Handeln und Know-how, nicht Arbeit nach Weinbau-Schema F, sind heute Grundvoraussetzungen, um klimatischen Kapriolen leichter „abwettern“ zu können und auch in schwierigen Jahren hohe Qualitäten zu erzielen. 2006 zählt zu den Weinjahren, die den heimischen Winzern ein hohes Wissen um die Notwendigkeit sorgfältigster Weingartenarbeit abverlangte, dies aber mit gesunden, hochwertigen, reifen Trauben dankte.

Schlagwort zum Weinjahr 2006 - „Verrieseln“

Durch niedrige Temperaturen oder Regen bei der Blüte und die dadurch unregelmäßige Befruchtung bilden sich nicht alle Beeren gleichmäßig aus. Dieses Verrieseln bewirkt je nach Rebsorte und Blütezeitpunkt unterschiedlich hohe Ausfälle. Davon waren zwar mehr oder weniger alle Regionen - am wenigsten die Südsteiermark – betroffen, vor allem aber bei Österreichs Haus- und Hofsorte Grüner Veltliner sind Ertragseinbußen zu verzeichnen. Eine Qualitätsbeeinträchtigung kommt durch ein Verrieseln nicht zustande.

Die positive Seite des Verrieseln ist, dass es vor allem bei „kompakten“ Traubensorten zu einer Art natürlicher Ausdünnung kommt, da die in Normaljahren dicht an dicht sitzenden Beeren durch den Ausfall etwas lockerer angeordnet sind. „Lockerbeerige“ Trauben trocknen rascher ab, drücken sich weniger leicht gegenseitig auf und sind daher auch weniger anfällig für Krankheiten und Pilzbefall jeglicher Art.

Der Verrieselungsgrad bei Grünem Veltliner fiel regional unterschiedlich aus, was unter anderem auf die Lage der jeweiligen Weingärten (je später, desto besser) zurückzuführen war. „Generell sind vor allem Fassweinqualitäten betroffen“, erklärt Josef Pleil, Präsident des Österreichischen Weinbauverbandes, der sich hochzufrieden mit dem Ergebnis des Weinjahres 2006 zeigt.

Niederösterreich
Der Herbst sei für die Wachau ein „goldener“, zieht man dort Bilanz und im Kamptal nimmt man bei aller gebotenen Vorsicht sogar das Un-Wort „Jahrhundertjahrgang“ in den Mund: hohe Gradationen, schöne Fruchtreife durch den auftrocknenden Boden im September und  kühle Nächte neben warmen Tagen - wenn auch vielfach erst seit Anfang Oktober - waren zuträglich für die Aromabildung. Auch aus dem Kremstal, Traisental und Donauland/Wagram kommen positive Meldungen zum Ernteverlauf.
Sehr gute Qualitäten bei geringeren Erträgen werden im Weinviertel erwartet. Die Abfolge von Trockenheit, Regen und trockener Wärme war in Summe zufrieden stellend. Während man im südlichen Weinviertel von einem witterungsmäßigen „Lottosechser“ spricht, war die Lage im nördlichen Weinviertel durch Frühjahrsfröste ein wenig schwieriger. Aber auch hier haben September und Oktober den Wein gemacht.

Die Tradititionssorten der Thermenregion, Zierfandler und Rotgipfler, wie auch die Burgundersorten sind in Gradation und Säure ideal. Die Regenfälle im August haben Pinot Noir und Sankt Laurent, deren Beeren zu diesem Zeitpunkt noch relativ hart waren, nicht zugesetzt. Carnuntum wird heuer nicht nur bei Rotweinen sondern auch mit Weißweinen aufzeigen.

Wien
Auch in Wien entsprach der Witterungsverlauf dem, was in den angrenzenden anderen Weinbaugebieten passierte. Anfang September trat leichte Fäulnis auf, die aber aufgrund des trockenen Altweibersommers gestoppt wurde und sich das Lesematerial somit gesund und reif präsentierte.

Burgenland
Ein ähnlicher Verlauf wird im nördlichen Burgenland beschrieben. Ein Kriterium war, die Reife nicht zu sehr auszureizen, da sonst die Gefahr bestand, zu alkoholische Weine zu bekommen. Die Weinbaugebiete am östlichen Rand waren von den Niederschlägen weniger betroffen als weiter westlich gelegene Gebiete. Die geernteten Mengen liegen im „guten normalen Durchschnitt“. Sowohl für Weißwein wie auch für Rotwein seien die Bedingungen ideal gewesen. Rund um den Neusiedlersee, im Mittelburgenland und auch im Süden setzt man vor allem auf die Sorte Blaufränkisch, die sowohl in Farbausprägung wie auch geschmacklicher Qualität äußerst zufrieden stellend ausgefallen ist.
Hervorgehoben werden vor allem die hervorragenden Qualitäten bei Blaufränkisch – man spricht von idealen pH-Werten und einer hervorragenden Ausreifung. Das Lob für Blaufränkisch ist ziemlich einhellig, bei Zweigelt reichen die Einschätzungen von „außergewöhnlich“  bis  „schwierig, aber sehr gut“.

Bei Süßweinen steht man noch am Beginn der Ernte, Ansätze und Voraussetzungen sind sehr vielversprechend. Die notwendige Edelfäule „Botrytis“ entwickelt sich in den Weingärten langsam, aber sehr schön.

Steiermark
In der Steiermark verursachte ein Adriatief gegen Ende September einige Aufregung: Während die Südoststeiermark mit den geringsten Wassermengen vergleichsweise glimpflich davon kam, traf es die Gebiete weiter westlich stärker. Der Fäulnisdruck erhöhte sich, weshalb bei der Ernte, die Mitte Oktober noch immer im Gang war, stark selektioniert werden musste. Vor allem Sauvignon Blanc und auch Morillon zeigen hervorragende Geschmacksausprägungen. Die Mindestgradationen wurden überall ziemlich leicht erreicht. Die aromatische Rebsorte Gelber Muskateller und Welschriesling präsentieren sich aufgrund der idealen Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht duftig und ausgewogen.