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2004 – ein spannender und „österreichischer“ Jahrgang!

Begonnen hat das so wechselhafte Jahr 2004 durchaus positiv, nämlich mit häufigen Niederschlägen; speziell in den östlichen Weinbaugebieten gab es ergiebige Schneefälle, die den Rebstöcken nach dem Hitze- und Trockenjahr 2003 endlich die verdiente Erholung brachten. Dann ging es allerdings ähnlich feucht, zum Teil auch kühl, weiter, so dass der Austrieb mit erheblicher Verspätung stattfand; Aufgrund der anhaltend sonnenarmen Monate Mai und Juni gab es auch eine mittelspäte bis späte Blüte, die teilweise von starken Regenfällen beeinträchtigt wurde – eine „natürliche“ Ertragsbeschränkung in einem frühen Stadium war die Folge.

Dieses Bild zeigt einen Weingarten im Kamptal
© ÖWM / Komitee Kamptal

Als ein anhaltend kühler und regnerischer Juli die Reife weiter verzögerte, machte sich nicht nur unter der Winzerschaft erster Pessimismus breit. Der Umschwung kam dann mit dem strahlend – sonnigen August und einem ähnlich schönen September, die da und dort sogar für Trockenschäden bei jungen Rebanlagen sorgten. Ab Anfang September setzten glücklicherweise die für eine zufrieden stellende Aromaausbildung so wichtigen, niedrigen Nachttemperaturen ein. Als die Ernte mit den Frühsorten gerade angelaufen war, setzte eine regnerische Wetterperiode ein, die eigentlich mit kleinen Unterbrechungen den ganzen Oktober anhielt; im Donautal und den nach ihren Nebenflüssen benannten Weinbaugebieten, aber auch im Weinviertel und Nordburgenland kam das Phänomen einer hartnäckigen Hochnebelbildung während der seltenen Hochdruckphasen hinzu, so dass die Reben zwischen den Regenfällen kaum abtrocknen konnten und ständig sehr hohe Luftfeuchtigkeit herrschte. Dies waren selbstverständlich ideale Bedingungen für die rasche Ausbildung von Edelfäule, so dass nach dem Staatsfeiertag und rund um Allerheiligen das Einbringen der reifsten Premiumweißweine sowie der spätreifenden Rotweinsorten à la Blaufränkisch und Cabernet einem Wettrennen gegen die sich sehr rasch ausbreitende Botrytis glich.

Diese Wetterbedingungen zauberten freilich ein Lächeln auf die Gesichter unserer Süßweinspezialisten, die spät, aber doch und ziemlich schlagartig erhebliche Mengen an hohen Prädikatsweinen einbringen konnten; tiefere Temperaturen, wie sie zur Erzielung von Eisweinen notwendig sind, sind bis Mitte Dezember nahezu ausgeblieben, wenn man von einigen gelungenen Eisweinernten rund um Eisenstadt absieht.

Weißweine österreichischer Stilistik

Für die wichtigsten österreichischen Weißweinsorten ist nach dem beschriebenen, äußerst wechselhaftem Witterungsverlauf eine große Bandbreite von Qualitäten zu erwarten. Starke Fungusbildung und hoher Behang haben dieses Mal besonders penible Schutzmaßnahmen und sorgfältiges Ausdünnen erfordert. Wer diese Schritte nicht setzen wollte oder konnte, musste sich mit geringen Gradationen, speziell bei unserer Leitsorte Grüner Veltliner auch mit unreifen Weinen zufrieden geben. Andererseits konnte durch gezielte Weinbauarbeit doch eine Reife erzielt werden, die ab Anfang Oktober Kabinett-Mostgewichte ermöglicht hat. Danach kam es allerdings eine zeitlang kaum mehr zu Steigerungen der Zuckerreife und auch die Konzentration durch Austrocknung war durch die hohe Luftfeuchtigkeit nicht möglich.

Die ersten Jungweine kosten sich aufgrund einer nahezu idealen Säurestruktur frisch und rassig, aber eigentlich nie spitz oder aggressiv. Im Verein mit den ansprechenden Extraktwerten und der mittleren bis sehr guten Reife dürften sich ausgewogene und animierende Weißweintypen ergeben, die auch die sortenspezifischen Aromen klar und deutlich wiedergeben; dies lässt sich ganz besonders für Grünen Veltliner und Sauvignon Blanc, sowie Muskateller und Chardonnay behaupten, während man für die zum Teil sehr spät gelesenen Rieslinge und Traminer noch etwas zuwarten sollte.

Ein gewisses Fragezeichen werfen jene Lagen und Premium-Weißweine auf, die traditionell erst im November gelesen werden. Hier wird es wegen des Edelfäule-Drucks zweifellos starke Mengeneinbußen geben, die verbliebene „Restmenge“, könnte aber zu sehr interessanten und komplexen Charakteren geführt haben. In der Steiermark werden einige Betriebe auf ihre Weine mit Lagenbezeichnungen verzichten, andere sie nur in geringer Stückzahl herausgeben, insgesamt ist die mit einem sehr frischen und schlankeren Weintyp in der bekannten, „klassischen“ steirischen Richtung zu rechnen. Die erwähnt späte, aber dann schlagartig einsetzende Edelfäule hat in den nordburgenländischen Hochburgen der Prädikatsweinerzeugung zu einer Vielzahl von Süßweinen geführt, die an so ergiebige Jahrgänge wie 1998 oder 2002 anschließen könnte, wobei es natürlich noch viel zu früh ist, über die Eigenschaften dieses Dessertweinjahrganges zu rätseln.

Überraschende Rotweine

Eine Faustformel bei der Kurzcharakteristik der österreichischen Weinjahrgänge lautet, dass die heißen und trockenen Jahre die Rotweine bevorzugen, die kühlen und feuchten Jahrgänge hingegen die Weißweine. Glücklicherweise gibt es auch Jahrgänge, die für Rote wie Weiße ideale Vorraussetzungen bieten: nach weit verbreiteter Meinung waren das etwa 1999, 1997 oder 1993. Nach dem so kontroversiellen Jahrgang 2004 scheint sich aber das Phänomen abzuzeichnen, dass nach einem kühlen und wechselhaften Vegetationsverlauf einige Rotweintypen an der Spitze der gesamten Qualitätspyramide liegen könnten. Dies gilt insbesondere für frühreifende Sorten wie Zweigelt, St. Laurent und Pinot Noir, die vor allem in den Gebieten rund um den Neusiedlersee, aber auch in den niederösterreichischen Rotweininseln Thermenregion und Carnuntum vor dem großen Regen eingefahren werden konnten. Sie sind vom Farbreichtum angefangen bis zum kraftvollen Körper und langem Abgang viel versprechend; Aufgrund der hohen Zuckerreife wurden sogar ähnliche Alkoholwerte wie 2003 erzielt und dies bei vermutlich wesentlich tieferen und vielschichtigeren Aromen.

Aber auch im Mittel- und Südburgenland wurden vor allem aus der häufigsten Rebsorte Zweigelt sehr kraftvolle und gediegene Rotweine erzielt, der spätreifende Blaufränkisch ist vielleicht einen Hauch leichter ausgefallen als in den beiden Vorgängerjahren, deutet aber durchaus schon Pikanz und Würze an. Geringfügige Probleme sollte es mit den französischen Trendsettern Cabernet und Merlot geben, für die die Reifedauer im Allgemeinen etwas kurz bemessen war, so dass wahrscheinlich nur ein geringer Anteil genügend Substanz für eine Barrique-Reifung besitzt.